Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat im Jahr 2019 die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Urlaubsverfall umgesetzt: Der Verfall von Urlaubsansprüchen ist danach an enge Voraussetzungen gebunden.
Bisherige Rechtslage
Nach deutschem Urlaubsrecht müssen Arbeitnehmer ihren Urlaub grundsätzlich bis zum 31.12. des jeweiligen Jahres genommen haben, sonst verfällt er. Wird der Urlaub am Jahresende aus dringen betrieblichen Gründen ins Folgejahr übertragen, so muss der übertragene Urlaub grundsätzlich bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden, bevor er verfällt. Eine Ausnahme bilden Langzeiterkrankte. Nach Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs waren die deutschen Regelungen so auszulegen, dass ein Verfall von übertragenem Urlaub frühestens nach 15 Monaten eintreten konnte.
Kernaussage des Bundesarbeitsgerichts: Ohne Hinweis des Arbeitgebers kein automatischer Verfall
In seiner Entscheidung vom 19.02.2019 (Az.: 9 AZR 541/15) hat das Bundesarbeitsgericht betont, dass der Verfall von Urlaubsansprüchen nur eintreten kann, wenn „der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt.“
Dies bedeutet konkret, dass Arbeitgeber im Streitfall vor Gericht den Nachweis zu erbringen haben, dass sie ihre einzelnen Mitarbeiter auf den Verfall der Resturlaubsansprüche hingewiesen haben. Können sie dies nicht, werden sie die verfallen geglaubten Urlaubsansprüche ihrer Mitarbeiter erfüllen müssen.
Wichtig für Arbeitnehmer:
Arbeitnehmer sollten ihre Urlaubsansprüche der letzten Jahre genau überprüfen. Nach alter Rechtsprechung am Jahresende verfallene Urlaubstage können durch die Rechtsprechungsänderung noch für zurückliegende Jahre geltend gemacht werden.
Wichtig für Arbeitgeber:
Arbeitgeber sollten Ihre Mitarbeiter mindestens einmal pro Jahr zumindest in Textform auf ihre restlichen Urlaubsansprüche sowie den möglichen Verfall hinweisen. Tun sie dies nicht, riskieren sie, dass Urlaubsansprüche zeitlich unbegrenzt “mitgeschleift“ werden.
Gewähren Arbeitgeber ihren Mitarbeitern mehr als den gesetzlichen Mindesturlaub sollten Sie in ihren Arbeitsverträgen dringend zwischen gesetzlichem Urlaub und vertraglichem Mehrurlaub unterscheiden. Für den vertraglichen Mehrurlaub kann der Verfall von (Rest-)Urlaub vertraglich leichter geregelt werden. Wird im Arbeitsvertrag nicht zwischen gesetzlichem Urlaub und vertraglichem Mehrurlaub unterschieden, gilt die neue Rechtslage nach überwiegender Ansicht auch für den vertraglichen Mehrurlaub.