Ein Beitrag unseres Rechtsanwaltes Roland Müller-Plesse im Osterholzer Anzeiger vom 12.08.2018
Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Die Bedeutung eines Zeugnisses darf keinesfalls unterschätzt werden. Während ein gutes Zeugnis das berufliche Vorankommen sichert, kann ein schlechtes Zeugnis die Chancen bei künftigen Bewerbungen zunichtemachen.
Immer wichtiger: Die Aufgabenbeschreibung
Viele Arbeitgeber wissen, dass Zeugnisse mit guten und sehr guten Bewertungen in den letzten Jahren stark zugenommen haben und dadurch die Aussagekraft von Arbeitszeugnissen gemindert wurde. Bei der Vorauswahl der Bewerber wird daher zunehmend ein besonderes Augenmerk auf die Aufgabenbeschreibung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gelegt. Anhand der Aufgabenbeschreibung kann der die Arbeitsstelle ausschreibende Arbeitgeber zunächst einmal erkennen, ob ein Bewerber die für die neue Stelle vorausgesetzten Tätigkeiten bereits ausgeübt hat. Da die weiteren Eigenschaften und Fähigkeiten des Bewerbers ohnehin in Bewerbungsgesprächen und Auswahlverfahren geprüft werden, führt häufig bereits eine aussagekräftige Aufgabenbeschreibung zu einer Einladung zum Vorstellungsgespräch. Arbeitnehmer sollten daher darauf achten, dass bei der Aufgabenbeschreibung weder wesentliche Tätigkeiten weggelassen noch unwesentliche Tätigkeiten hervorgehoben werden.
Die Leistungsbeurteilung: Klingt gut = gut?
Arbeitszeugnisse verwenden eine eigene “Sprache“. Viele Formulierungen werden standardisiert verwendet. Die Bedeutung dieser Formulierungen und Bewertungsfloskeln ist mittlerweile vielen Arbeitnehmern bekannt. Wird einem Mitarbeiter im Zeugnis beispielsweise bescheinigt, er habe seine Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers durchgeführt, so darf der Mitarbeiter sich über eine sehr gute Bewertung seiner Leistung freuen, wenn der übrige Zeugnisinhalt diese Bewertung auch stützt. Beachten sollten Arbeitnehmer, dass bereits durch das Hinzufügen oder Weglassen einzelner Wörter aus einer guten eine schlechte Bewertung werden kann. Insgesamt sollte die Leistungsbeurteilung zusammen mit der Aufgabenbeschreibung den Großteil des Zeugnistextes ausmachen. Ist die Leistungsbeurteilung beispielsweise im Verhältnis zur Beschreibung des Arbeitgebers unverhältnismäßig kurz, lässt dieser Umstand bereits darauf schließen, dass der bisherige Arbeitgeber die Leistung des Arbeitnehmers eher unterdurchschnittlich beurteilt.
Auch die Form entscheidet
Neben dem Inhalt sollten Arbeitnehmer auch die Form des Arbeitszeugnisses im Blick haben. Auch formelle Fehler können ein ansonsten gutes Arbeitszeugnis stark abwerten. So ist es zwingend notwendig, dass das Zeugnis vom Arbeitgeber eigenhändig unterschrieben wurde. Eine E-Mail genügt diesen Anforderungen nicht. Dies gilt auch, wenn ein unterschriebenes Zeugnis eingescannt und in der E-Mail als Anhang mitgeschickt wurde. Verwendet der Arbeitgeber im Geschäftsverkehr einen Firmenbriefbogen, so muss er diesen ebenfalls bei der Erteilung eines Arbeitszeugnisses verwenden. Das Zeugnis muss dem Arbeitnehmer also grundsätzlich im Original (keine Scan-Kopie, Fax etc.) übergeben werden. Macht der Arbeitgeber dies nicht, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf erneute Ausstellung des Zeugnisses auf dem Firmenbogen. Das Anschriftenfeld hat hierbei unausgefüllt zu bleiben.
Das Ausstellungsdatum: Welcher Tag zählt?
Auch wenn es üblich ist, dass der Arbeitgeber als Ausstellungsdatum den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses angibt, kann der Arbeitnehmer dies nicht in jedem Fall verlangen. Als Ausstellungsdatum muss der Arbeitgeber vielmehr grundsätzlich den Tag der tatsächlichen Zeugnisausstellung angegeben. Dies gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Arbeitgeber die Ausstellung des Zeugnisses verzögert. Liegen mehr als ein bis zwei Monate zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Ausstellung des Zeugnisses, liegt eine unangemessene Datendiskrepanz vor, die der Arbeitnehmer nicht akzeptieren muss. Ein solch spätes Ausstellungsdatum kann nämlich darauf hinweisen, dass es bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Streitigkeiten gekommen ist und der Arbeitgeber beispielsweise erst nach einem längeren Gerichtsprozess seiner Verpflichtung nachgekommen ist.
Dank, Bedauern, gute Wünsche: Kein Anspruch für Arbeitnehmer
Das Zeugnis schließt regelmäßig mit dem Ausdruck des Bedauerns des Arbeitgebers über das Ausscheiden des (guten) Mitarbeiters, verbunden mit Dank für die geleistete Arbeit und guten Wünschen für die Zukunft. Auch wenn beim Fehlen dieser Schlussformel regelmäßig auf eine schlechte Bewertung geschlossen wird, gehen die Arbeitsgerichte weiter davon aus, dass ein Anspruch auf Dank, Bedauern und gute Wünsche nicht besteht. Weist ein Zeugnis trotzdem eine solche Schlussformel aus, ist dies regelmäßig positiv zu bewerten.
Die Unterschrift: Die richtige Person ist entscheidend
Arbeitnehmer sollten zudem genau darauf achten, wer ihr Arbeitszeugnis unterschrieben hat. Unterzeichnet nicht der Arbeitgeber bzw. Geschäftsführer selbst sondern ein Vertreter, ist dessen Position (Prokurist, Handlungsbevollmächtigter, Abteilungsleiter) zu beachten. Wurde das Zeugnis beispielsweise von einem gleich- oder untergeordneten Mitarbeiter unterschrieben, erweckt dies den Anschein der Geringschätzung oder sogar Missachtung.