
Fristlose Kündigung einer medizinischen Fachangestellten wegen Weitergabe von Patientendaten
- By Roland Müller-Plesse
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- 24 May, 2017
In diesem Beitrag widmen wir uns einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 11.11.2016, 12 Sa 22/16). Er richtet sich vornehmlich an Mitarbeiter medizinischer Berufe, z.B. in Krankenhäusern, bei Ärzten oder im Pflegebereich, die täglich mit sensiblen Patientendaten in Kontakt kommen. Das Urteil zeigt, dass bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht zur fristlosen Kündigung führen kann.
Das war passiert:
Eine medizinische Fachangestellte (Arzthelferin) war Mitarbeiterin in einer radiologischen Praxis mit ca. 40 Mitarbeitern. Sie war bei ihrem Arbeitgeber unter anderem für die Terminverwaltung zuständig. Nachdem eine sowohl der Mitarbeiterin, als auch deren Tochter persönlich bekannte Patientin einen Untersuchungstermin abgesagt hatte, rief die Mitarbeiterin das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Auf diesem war neben dem Namen und dem Geburtsdatum auch der zu untersuchende Körperbereich angegeben. Die Mitarbeiterin fotografierte das Terminblatt mit ihrem Smartphone und leitete ihrer Tochter das Foto, versehen mit dem Kommentar: „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ per WhatsApp weiter.
Der Arbeitgeber erlangte hiervon durch einen Anruf des Vaters der Patientin Kenntnis. Die Tochter hatte die Nachricht ihrer Mutter im Sportverein herumgezeigt. Nachdem der Arbeitgeber die Mitarbeiterin zu den Vorwürfen angehört hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
So urteilte das Gericht:
Das Gericht sah die ausgesprochene Kündigung als wirksam an. Das Verhalten der Mitarbeiterin stelle eine schwerwiegende vorsätzliche Verletzung der arbeitsvertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht dar. Es sei dem Arbeitgeber daher nicht zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
Auch die Behauptung, sich bei der Weitergabe „nichts dabei gedacht zu haben“, schützte die Mitarbeiterin nicht. Das Gericht machte deutlich, dass für jeden Laien klar gewesen sei, dass die Patientendaten nicht zur Befriedigung familiärer Neugier weitergegeben werden durften.
Die Gewährleistung der ärztlichen Schweigepflicht sei grundlegend für das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Das Gericht unterstrich, dass aufgrund der Schwere des Verstoßes eine Abmahnung entbehrlich war. Diese hätte das Vertrauen des Arbeitgebers in die Diskretion der Mitarbeiterin nicht wiederherstellen können.
Unsere Bewertung:
In der arbeitsrechtlichen Praxis spielen Kündigungen wegen Verstößen gegen Verschwiegenheitspflichten eher eine untergeordnete Rolle. Dies mag an der eher schwierigen Nachweisbarkeit der Verstöße liegen. Hauptvorwurf ist in diesen Fällen dann regelmäßig der Vorwurf der Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Das Urteil unterstreicht hier die Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht für Berufe mit Zugang zu (sensiblen) Patientendaten. Diese ist essentiell für das Vertrauensverhältnis Arzt-Patient und Arzt-Mitarbeiter. Auch ein einmaliger Verstoß kann zu Recht dazu führen, dass der Arbeitgeber Mitarbeiter fristlos entlassen kann.
Wichtig für Arbeitnehmer:
Arbeitnehmern kann nur geraten werden, ihrer Verschwiegenheitspflicht nachzukommen. Selbst wenn eine solche nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt ist, ist eine Verschwiegenheitspflicht als Nebenpflicht stets zu beachten. Folge eines Verstoßes kann nicht nur die fristlose Kündigung sein. Zusätzlich droht bei einem Verstoß ein Strafverfahren wegen Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Strafgesetzbuch). Für die Verletzung der Strafnorm sieht das Gesetz als Sanktion eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor.
Wichtig für Arbeitgeber:
Arbeitgeber, deren Mitarbeiter mit sensiblen Patientendaten in Berührung kommen, sollten im eigenen Interesse festgestellte Verstöße gegen Verschwiegenheitspflichten nicht als Kavaliersdelikt betrachten. Die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten ist Grundlage der ärztlichen Tätigkeit. Bei schwerwiegenden Verstößen sollten Arbeitgeber arbeitsrechtliche Sanktionen von der Abmahnung bis zur fristlosen Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen.






